Vieraugengespräch Zum Thema Zur Zukunft des Journalismus

Zur Zukunft des Journalismus

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Der schleichende Tod des (traditionellen) Journalismus
Noch kann die deutsche Presselandschaft fast jede Zielgruppe befriedigen, darunter Historiker, Sportler, Ernährungsbewusste, Senioren, politisch Interessierte. Die traditionelle Bahnhofsbuchhandlung, das Lotteriegeschäft mit Zeitschriftenwand, die Presse-Ecke im Supermarkt, und die Trinkhalle haben gemeinsam, dass sie ständig das Gefühl einer traditionsreichen und funktionierenden deutschen Presselandschaft erneuern. Alles ist da, für jeden ist etwas dabei, so wie früher. Nur dass heute alles auch digital abrufbar ist: per App, im Browser, auf Facebook.

Hinter dem Mantel der Zeitschriften- und Zeitungswand verbergen sich jedoch nackte Verkaufszahlen, die unterm Strich deutlich nach unten weisen. Viel zu selten thematisiert der traditionelle Journalismus sein Problem: Kaum einer möchte noch für das, was Journalisten tun, Geld bezahlen. Erst im Februar machte die Kölner Mediengruppe DuMont mit Plänen, sich von allen Regionalzeitungen trennen zu wollen, Schlagzeilen [1]. Trotz erschwerter Bedingungen bestehen viele Zeitschriften und Zeitungen zunächst weiter, allerdings mit Konsequenzen: Konsumenten müssen mehr bezahlen, mehr Werbung oder schlecht recherchierte Texte verkraften. Manchmal kommt alles zusammen, damit eine Zeitschrift überhaupt noch existieren kann. Dann steht sie mit ihrer attraktiven Hülle im Regal, zusammen mit anderen Presseprodukten, und erzeugt das gesunde Bild, das sich einem in der Bahnhofsbuchhandlung bietet.

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Die Symptome stetig sinkender Auflagen werden zunehmen
Die Zahl der verkauften Auflage der Zeitschrift DER SPIEGEL sank im Zehnjahreszeitraum von 2008 bis 2018 um 333.822 Exemplare und damit um 31,9 % [2]. Die in Essen ansässige Funke Mediengruppe, wichtigstes Medienhaus für lokale Nachrichten im Ruhrgebiet, verkaufte im vergangenen Jahr 43,2 % Exemplare weniger als noch zehn Jahre zuvor. Nicht weniger dramatisch ist die Entwicklung bei der altehrwürdigen Frankfurter Allgemeinen Zeitung mit einem Rückgang von 36 % im selben Zeitraum. Zeitungen und Zeitschriften brauchen eine gewisse Mindestauflage, damit deren Redaktionen recherchieren und produzieren können, sodass durch die Rezeption der Medien ein Informationsgewinn möglich ist. Ansonsten entsteht der Teufelskreis, dass potenzielle Kunden ein Medium aufgrund geringer Qualität nicht mehr konsumieren. Die Qualität sinkt dann durch das Ausbleiben zahlender Kundschaft weiter. Bevor Presseprodukte verschwinden, werden sie schlechter. Das Medium die tageszeitung mit Sitz in Berlin kämpft schon seit Jahren mit einer geringen verkauften Auflage (aktuell knapp 50.000 Exemplare). Auch ein flexibles Bezahlmodell (sozialer, normaler und politischer Preis für Abos) haben nicht verhindern können, dass Geschäftsführer Karl-Heinz Ruch das Ende des Printmediums in Aussicht stellt [3]. Aber ist tatsächlich nur das Zeitalter der gedruckten Zeitung vorbei? Zwar steigt die Zahl der zahlenden Konsumenten digitaler Medienprodukte stetig. Allerdings kann dieser Zuwachs die Verluste im Printgeschäft nicht ausgleichen.

Stirbt der Journalismus aus oder erfindet er sich gerade neu?
Was tut der traditionelle Journalismus, um sinkenden Verkaufszahlen entgegenzuwirken? In vielen Fällen hofft man darauf, dass der Verkauf digitaler Exemplare in Zukunft stärker wachsen wird als bisher. SPIEGEL-Gruppe und Süddeutsche Zeitung gehen zudem einen weiteren Weg, indem sie mit reinen Online-Angeboten wie bento.de (SPIEGEL) und jetzt.de (SZ) speziell junge Menschen erreichen möchten. Vor Ort NRW (Journalismus-Lab der Landesanstalt für Medien NRW) sieht die Zukunft unter anderem in neuen digitalen Konzepten. Beispiele hierfür können etwa das US-amerikanische Start-up inside.com (Journalismus via Newsletter, inklusive Lokalnachrichten) oder das schwedische Medienunternehmen MittMedia (von künstlichen Intelligenzen erstellte Lokalnachrichten) sein. Start-ups haben es nicht leicht, ohne großes Kapital die Anlaufphasen zu überstehen. Deshalb sind sie in der Regel auf zusätzliche Investoren angewiesen. Unklar ist, ob Start-ups und alternative Konzepte großer Medienhäuser die journalistische Qualität vieler traditioneller Medienprodukte aufrechterhalten können. Denn eines sollte niemals vergessen werden: Guter Journalismus ist als Pfeiler der Demokratie besonders schützenswert. |von Can Keke

Quellen:
[1] Frankfurter Allgemeine Zeitung (26.02.2019),
URL: https://www.faz.net/aktuell/feuilleton/medien/dumont-mediengruppe-will-sich-von-regionalzeitungen-trennen-16060786.html (abgerufen am 17.03.2019).
[2] Alle Statistiken zur Auflage respektive zum Verkauf stammen von der Informationsgemeinschaft zur Feststellung der Verbreitung von Werbeträgern e.V. (URL: https://www.ivw.eu/aw/print/qa); Angeführte Jahreszahlen beziehen sich immer auf das vierte Quartal, digitale Versionen der Presseprodukte sind in die Auflagenstatistik bereits eingerechnet.
[3] ZEIT ONLINE (13.08.2018),
URL: https://www.zeit.de/wirtschaft/unternehmen/2018-08/tageszeitung-taz-berlin-karl-heinz-ruch-journalismus-printmedien-online (abgerufen am 17.03.2019).

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