Am 16. Juni 2020 veröffentlichte das Robert Koch-Institut (RKI) die sogenannte Corona-Warn-App, deren Nutzung der Eindämmung der COVID-19-Pandemie dienen soll. Dabei soll das Programm auf mögliche Infektionsketten aufmerksam machen. Nutzer*innen werden über die App informiert, wenn Sie sich über einen bestimmten Zeitraum in der Nähe einer Person mit bestätigter COVID-19-Infektion aufgehalten hat. Die an der Produktion der App beteiligten Institute und Unternehmen, darunter der deutsche SAP-Konzern, versichern, dass der Datenschutz gewährleistet wird und nur die Informationen gesammelt werden, die unabdingbar für die Identifikation potenzieller Infektionsketten sind. Ein großer Streitpunkt im Vorfeld war die Diskussion über eine mögliche zentrale oder dezentrale App-Architektur. Am Ende einigte man sich auf eine dezentrale und dem Datenschutz zuträgliche Lösung. Stattgefundene Kontakte werden nur auf den Geräten selbst und nicht auf einem zentralen Server gespeichert, auf den potenziell mehrere Parteien zugreifen könnten.
Das Team des Vieraugengesprächs setzt sich regelmäßig für einen umsichtigen Umgang mit personenbezogenen Daten ein. In unserer vergangenen Folge (#60 Über den Umgang mit Datenschutz) bemängelten wir unter anderem das in der breiten Bevölkerung fehlende Bewusstsein für den im Jahr 2013 von Whistleblower Edward Snowden geleakten und nach wie vor aktuellen NSA-Skandal. Soziale Netzwerke und digitale Dienste werden von vielen Nutzer*innen weitestgehend unkritisch genutzt, häufig mit Verweis darauf, dass man nichts zu verbergen habe. Umso überraschender ist es, dass die fertige Corona-Warn-App nicht nur einer überdurchschnittlichen Datenschutz-Kritik ausgesetzt ist, sondern von vielen Personen gänzlich abgelehnt wird. Auf sozialen Plattformen wie Facebook vermelden User beispielsweise, dass sie die App niemals nutzen würden, da sie einem Überwachungsstaat gleichkäme. Viel wahrscheinlicher ist es, dass die meisten Kritiker sich mit dem Thema Datenschutz in ihrem Alltag kaum bis gar nicht auseinandersetzen. Dies zeigen viele Beispiele der Realität: Wer den Datenschutz der Corona-App für unzureichend hält und seinen Unmut im Netz der Datensammelkrake Facebook äußert, macht sich einer eindeutigen Inkonsistenz und damit einem logischen Fehler in der eigenen Argumentation schuldig. Diese Inkonsistenz wird nicht zuletzt dadurch genährt, dass Facebook viel mehr Daten sammelt als die Corona-Warn-App in ihrer jetzigen Version jemals imstande wäre. Zudem: Das Ziel der Datensammlung großer Unternehmen des Silicon Valleys ist keine Wohltat. Die Corona-Warn-App hingegen hat nur das Ziel, die Verbreitung von Coronaviren zu bremsen.
Selbst der sonst sehr kritische Chaos Computer Club (CCC), der die App im Rahmen eines strengen Prüfverfahrens untersuchte und im Verlaufe der Entwicklung zur Verbesserung der App beitrug, bemängelt den Datenschutz in der fertigen Version nicht. Wer die App herunterlädt, muss keine Daten angeben und sich nirgendwo registrieren. Dadurch dass die Daten nur lokal auf den Geräten gespeichert werden und Kontakte über den Austausch anonymer Schlüssel festgestellt werden, kann der Datenschutz eher als Musterbeispiel für andere digitale Dienstleistungen angesehen werden. Auch ist die App nicht für die dauerhafte Nutzung gedacht, sondern soll nur vorübergehend Teil unseres Lebens sein, um gefährdete Menschen zu schützen und weitere Lockdowns mit massiven Kollateralschäden zu verhindern.
| von Can Keke