Wir leben in einem sehr freizügigen Land – im Wahrsten Sinne des Wortes. Überall sehen wir Werbung mit sehr leicht bekleideten Frauen (und mittlerweile auch Männern). Wir gehen im Gegensatz zu anderen Ländern nackt in die Sauna und können auch an manchen Stränden und Seen unbekleidet in der Sonne liegen. In der DDR war die FKK-Kultur stärker ausgeprägt als in Westdeutschland. Mittlerweile ist der Trend insgesamt ein wenig rückläufig. Nacktheit kann man am ehesten bei speziellen Events erleben und ausleben. Schon seit fünf Jahren macht der Fotograf Gerrit Starczewski Nacktprojekte auf Festivals oder auch im Fußball. Im Alltag beschränkt sich Nacktheit auf die bereits erwähnten Strände und Saunen. Sich im Park unbekleidet in die Sonne legen? Das ist eher die Ausnahme und würde von einigen Menschen auch als anstößig betrachtet werden, was schade ist.
Doch selbst wenn Nacktheit wirklich in mehr Lebensbereichen akzeptiert wäre, würden sich viele Menschen nicht trauen, die Hüllen fallen zu lassen. Das betrifft besonders jene, die von der breiten Masse als sehr attraktiv angesehen werden. Sie versuchen über Sport und eine gesunde Ernährung gut auszusehen – ähnlich wie die perfekten Modells in der Werbung, im Fernsehen oder auch in Pornos. Doch digitale Nachbearbeitungstechniken und Schönheitsoperationen verhindern, dass das Nacheifern jemals von Erfolg gekrönt sein wird. Und so sind diejenigen, die einen besonderen Wert auf einen schönen, definierten Körper legen, oftmals unzufrieden und der Meinung, sich und anderen optisch nicht zu genügen. Sich komplett auszuziehen und nackt zu zeigen ist somit ausgerechnet für diejenigen undenkbar, die es sich am ehesten erlauben könnten. Der gesellschaftliche und vor allem der selbstgemachte Druck ist zu groß. Und so sind es oft die Unperfekten, die zu sich und ihrem Körper stehen und sich im Laufe der Zeit eine gesunde Lockerheit angewöhnt haben.
In der Welt der Medien – sei es in TV-Shows, der Werbung oder auf YouTube – wird ein großer Wert auf Authentizität gelegt. Würde man tatsächlich authentisch sein und keine unrealistischen Schönheitsideale zelebrieren, könnte man Vorbild sein und eine Lockerheit schaffen, die in den letzten zwei Jahrzehnten verloren zu gehen scheint.