Vieraugengespräch Zum Thema Europa ist zerrüttet und ignoriert Flüchtlingsursachen

Europa ist zerrüttet und ignoriert Flüchtlingsursachen

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Endlich: Die Zahlen der in Deutschland ankommenden Flüchtlinge sinken! Kamen im Januar noch 20.000 Flüchtlinge allein nach NRW, waren es nun im Mai nur noch 5.000 [1]. Man könnte meinen, das Problem sei gelöst. Tatsächlich verschwindet die Flüchtlingskrise allmählich aus dem medialen Alltag. Zurück bleibt ein teils kaputtes Europa mit potenziellen EU-Austrittsländern, das aber weitgehend erfolgreich und vermeintlich human einen Schutzwall gegen schutzsuchende Menschen errichtet hat. Erfolgreich deswegen, weil es die meisten der Flüchtlinge nicht mehr über die Grenzen der griechischen Gebiete schaffen. Human deshalb, weil die Flüchtlinge nicht einfach ihrem Schicksal überlassen werden und zurück in ihre Herkunftsländer müssen, sondern dank des Deals mit der Türkei unter guten Bedingungen in der Türkei leben können; zumindest offiziell. Damit wahrt Europa rein formell die sonst propagierten Menschenrechte, muss sich aber gleichzeitig nicht zusätzlich zu den eigenen Problemen auch noch mit Flüchtlingen beschäftigen, die aufgrund ihres islamischen Unterbaus die Toleranz und Integrationsbemühungen der Bevölkerung sowie der Regierung der EU (über)fordern.

Harald Schottner / pixelio.de

Harald Schottner / pixelio.de

Der Deal mit der Türkei ist keine (humane) Lösung
Neben der offiziellen Darstellung derjenigen, die sich für den Deal und dessen Umsetzung stark gemacht haben, gibt es auch die andere Perspektive auf den Flüchtlingspakt: Die Türkei befindet sich, vor allem im Osten des Landes, selbst in einem schwierigen Zustand. Zum Teil hochorganisierte kurdische Gruppierungen terrorisieren das Land, der IS steht am Eingangstor der Türkei, die Beziehungen zu Russland und anderen Staaten verschlechtern sich zunehmend. Die Türkei droht im Sog des Arabischen Frühlings, der Bürgerkriege, Terroristen und Separatisten selbst unterzugehen. Da ist es vielleicht erklärbar, dass man an Recep Tayyip Erdoğan paranoide und psychopathische Züge wahrnehmen kann; nicht jeder Mensch kann in solchen schwierigen Situationen einen kühlen Kopf bewahren (auch wenn man das von einem Präsidenten eigentlich erwarten kann).
Die Türkei hat genügend mit sich selbst zu tun, und kann sich nicht in ausreichender Weise um alle schutzsuchenden Menschen kümmern. Zudem warten immer noch (bzw. erneut [3]) viele Flüchtlinge unter prekären Bedingungen vor den verschlossenen Toren Europas. Die globale Organisation Ärzte ohne Grenzen reagiert auf diese inhumane Politik der Europäischen Union: „Aus Protest gegen die Abschottungspolitik der Europäischen Union wird Ärzte ohne Grenzen keine Gelder mehr bei der EU und ihren Mitgliedstaaten beantragen.“ [2]

Der Westen müsste Flüchtlingsursachen bekämpfen
Statt mit der Türkei einen Flüchtlingspakt zu realisieren, sollte sich der Westen einige wichtige Fragen stellen: Warum herrscht in Syrien Krieg? Warum sind große Teile des Nahen Ostens in einem solch desolaten Zustand? Wenn der Westen ernsthaft daran interessiert wäre, das normale Leben in Ländern wie Syrien und Irak wiederherzustellen, müsste er seinen Waffenhandel radikal einschränken. Er müsste ebenso seine Vergangenheit kritisch hinterfragen: Wie kam es dazu, dass sich terroristische Organisationen wie Al-Qaida dermaßen entwickeln konnten? Dann würde man zu dem Schluss kommen, dass z. B. Amerika einen großen Beitrag dazu geleistet hat, indem terroristische Gruppen aufgebaut und gestärkt [4] sowie Gründe für Kriegserklärungen erfunden wurden [5]. Der Westen ist jedoch nicht nur weit davon entfernt, sich die Fehler der Vergangenheit einzugestehen, sondern er begeht selbige Fehler erneut, indem er radikale IS-feindliche Gruppierungen mit Waffen versorgt, welche dann wiederum für einen Bürgerkrieg in der Türkei und in anderen Ländern sorgen könnten (oder es bereits tun). Dies führt zu neuen, noch viel schlimmeren Flüchtlingswellen, von denen insbesondere Europa stark betroffen sein wird.

Grau statt Schwarz und Weiß: Ein differenzierter Flüchtlingsdiskurs ist nötig
Wenn wir uns mit der Flüchtlingskrise und den Ursachen beschäftigen, muss ein kritisch-differenzierter Diskurs unbedingt möglich sein. Radikale Positionen (weder links noch rechts) resultieren nicht aus dem sinnvollen Abwägen von Argumenten und empirischen Tatsachen, sondern geben Pauschalantworten auf die komplexesten Probleme unserer Existenz. So gehen nicht alle Flüchtlinge mit islamischem Glauben respektlos mit Frauen um und stellen sich prinzipiell gegen westliche Normen (es gibt viele und gute Gegenbeispiele). Gleichzeitig hilft es nichts, wenn wir uns nicht mit den Problemen von Multikulturalität oder den Ursachen der Flüchtlingskrise beschäftigen und diese beseitigen. Ansonsten wird nicht nur Syrien instabil bleiben, es könnte mit der Türkei der nächste Krisenstaat entstehen. Neben der Kritik an Erdoğan muss es Gespräche darüber geben, wie die Türkei sinnvoll gestärkt und die Kriegsstaaten Syrien und Irak stabilisiert werden können. Es ist zwar sehr wichtig, dass Europa Flüchtlinge aufnimmt (und sie nicht in die Heimat oder in die Türkei abschiebt). Aber damit allein sind die Flüchtlingsursachen noch nicht bekämpft. |von Can Keke

 

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[1] http://www.derwesten.de/politik/zahl-der-ankommenden-fluechtlinge-in-nrw-drastisch-gesunken-id11920189.html (abgerufen am 18.06.2016)

[2] https://www.aerzte-ohne-grenzen.de/aerzte-ohne-grenzen-stopp-eu-gelder (abgerufen am 18.06.2016)

[3] http://www.spiegel.de/panorama/gesellschaft/fluechtlinge-in-sizilien-die-insel-der-ueberlebenden-a-1097746.html (abgerufen am 20.06.2016)

[4] http://www.focus.de/politik/ausland/afghanistan/afghanistan-akten-belegen-unterstuetzung-der-islamisten-durch-westen_aid_585863.html (abgerufen am 20.06.2016)

[5] https://de.wikipedia.org/wiki/Begr%C3%BCndung_des_Irakkriegs (aberufen am 20.06.2016)

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