Vieraugengespräch Zum Thema Europäer wählen Alternativen

Europäer wählen Alternativen

Helga Ewert Tuerkei und EU

Vor zwei Wochen blickte ganz Europa auf Österreich. Dort wurde ein neuer Bundespräsident gewählt, der mehr Macht und Befugnisse als der deutsche Bundespräsident besitzt. Professor Alexander Van der Bellen – ehemals bei den Grünen – lieferte sich bis zuletzt ein Kopf-an-Kopf-Rennen mit dem nationalkonservativen FPÖ-Kandidaten Norbert Hofer und gewann nach Auszählung der Briefwahl-Stimmen mit knappen 50,3 Prozent. In anderen Ländern formieren sich seit einigen Jahren ebenfalls nationalkonservative Parteien. Bei uns in Deutschland legt die AfD einen für eine so junge Partei beachtlichen Erfolg hin.
Mittlerweile sollten auch die letzten Kritiker erkennen, dass nicht alle Wähler dieser Parteien rechtsradikal sind, wenngleich dies zumindest auf einige von ihnen zutrifft. Es ist auch nicht allein die konkrete Angst vor den (muslimischen) Flüchtlingen, die zum Kreuz bei AfD und Co. führt. Vielmehr befürchtet eine nicht unwesentliche Anzahl der Bevölkerung chaotische Zustände und den Verlust von Werten und Ordnung. Nicht zu Unrecht:
Europa kann sich in der Flüchtlingskrise nicht auf menschenwürdige und gerechte Kompromisse im Umgang mit den Flüchtlingen einigen. Vielmehr muss EU-Chefin Merkel aus der Not heraus einen moralisch fragwürdigen Deal mit der Türkei eingehen, die sich zu allem Unglück unter Präsident Erdoğan Schritt für Schritt zu einem autokratischen Staat zu entwickeln scheint. Man gewinnt den Eindruck, als sei die EU nur noch eine kapitalistische Zweckgemeinschaft. Bereits mit Beginn der Griechenlandkrise ließ sie gemeinsame Werte und moralisches Handeln vermissen, was ihre Glaubwürdigkeit zum ersten Mal beschädigte.

©Helga Ewert/pixelio.de

©Helga Ewert/pixelio.de

Nicht zuletzt aufgrund der gestiegenen Zahl an Menschen in Deutschland stieg die Zahl der Straftaten 2015 deutlich an. Dies geht aus der am 23. Mai vorgestellten Kriminalitätsstatistik hervor.[1] Die Zahl der registrierten Straftaten stieg im Vergleich zum Vorjahr um 4,1% an. Lediglich etwas mehr als die Hälfte aller Straftaten (56,3%) wurden aufgeklärt. Diebstahldelikte – darunter auch Diebstahl aus Wohnungseinbrüchen – werden kaum aufgeklärt (14,1%). Gleichzeitig ist die Polizei überlastet und unterbesetzt. Wer von diesen Fällen bislang noch nicht betroffen war, empfindet zumindest subjektiv ein sinkendes Sicherheitsgefühl.
Zusätzlich zu diesen messbaren Problemen wurden Menschen stigmatisiert oder als rechtsradikal beschimpft, wenn diese auf Probleme bei der Ein- und Zuwanderung sowie auf problematische Unterschiede zwischen der westlich-christlich geprägten und der muslimischen Kultur inklusive deren Aufeinandertreffen aufmerksam machten. Es wurde kein Unterschied gemacht, ob jemand Stammtischparolen brüllte und zu Gewalt aufrief, oder sachliche Argumente im Einklang mit dem Grundgesetz anführte: wer sich gegen Multikulti aussprach, wurde bekämpft, für dumm erklärt und mundtot gemacht.
All diese Fehler rächen sich jetzt. Die europäische Bevölkerung lässt sich nicht länger beleidigen oder den Mund verbieten. Klare und kritische Haltungen zu europäischen Fragen werden jetzt damit zum Ausdruck gebracht, dass Parteien gewählt werden, die klare Haltungen annehmen und sich von den unkritischen Pro-Europa-Parteien abgrenzen. Diese Parteien stehen unmissverständlich für Werte, die leidenschaftlich und konsequent vertreten werden – eine Tugend, die den Volksparteien und der EU abhandengekommen ist. Tragisch daran ist, dass viele der national-konservativen Parteien Werte vertreten, die teilweise einen kulturellen Rückschritt in Zeiten bedeuten, von denen wir eigentlich froh waren, sie überwunden zu haben. Doch offenbar denkt ein nicht kleiner Teil der Bevölkerung, dass dies besser sei, als keine Werte mehr zu vertreten und die Probleme dieser Zeit aufgrund eines falschen Toleranzverständnisses durchzuwinken. |von Stefan Seefeldt

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[1] http://www.n-tv.de/panorama/Was-sagt-die-Kriminalstatistik-aus-article17757506.html [Stand: 30.05.16]

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