Vieraugengespräch Zum Thema Alkoholikern das Kinderkriegen verbieten?

Alkoholikern das Kinderkriegen verbieten?

Frau mit Drink Concord90

Der Konsum von Alkohol ist schon in kleinen Mengen gefährlich. Dies belegt eine neue Studie, in der 100.000 Menschen zwischen 15 und 95 Jahren ein Jahr lang keinen Alkohol tranken und eine Vergleichsgruppe gleicher Größe im gleichen Zeitraum täglich ein alkoholisches Getränk zu sich nahm. Von den Nicht-Trinkern erkrankten 914 Personen an einer Krankheit, die mit Alkohol in Zusammenhang steht. In der Vergleichsgruppe, die täglich ein alkoholisches Getränk konsumierte, erkrankten 918 Personen. Es gab noch weitere Vergleichsgruppen. Wurden zwei alkoholische Getränke pro Tag konsumiert, stieg die Zahl der Krankheitsfälle auf 977 pro Jahr. Bei fünf Gläsern pro Tag, stieg die Zahl auf 1252. Unter den 23 Krankheiten, die mit Alkohol in Zusammenhang stehen können, fallen unter anderem Leberzirrhose und Leberkrebs, aber auch Diabetes, Epilepsie, Herzinfarkt, Bluthochdruck, Darmkrebs sowie Tuberkulose.[1]

Der Schaden für Kinder ist nachweislich ebenfalls hoch. Trinken Mütter während der Schwangerschaft, steigt die Wahrscheinlichkeit erheblich, dass das Kind mit körperlichen und/oder geistigen Behinderungen geboren wird. Doch selbst ein Kind, das gesund geboren wird, leidet oftmals erheblich unter der Alkoholsucht der Eltern. Physische und psychische Gewalt, Vernachlässigung und daraus resultierende psychische Leiden und Verhaltensauffälligkeiten sind in der Regel die Folge.

Mit Blick auf diese problematischen Lebensaussichten liegt es nahe, ein Zeugungsverbot für Alkoholiker zu fordern. Durch Androhung von Strafen oder gar Maßnahmen zur Sterilisation Betroffener ließe sich möglicherweise verhindern, dass Kinder in menschenunwürdige Verhältnisse hineingeboren werden. Zwar könnte man kritisch anführen, dass das Leben eines solchen Kindes mitunter doch lebenswert werden könnte. Doch diese Wahrscheinlichkeit ist geringer als die Wahrscheinlichkeit eines zu erwartenden Schadens. Ein Kind, das gar nicht erst geboren wird, kann sein Leben nicht vermissen (es ist schließlich gar nicht erst geboren) und auch nicht leiden.

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Doch die Konsequenzen einer solchen Forderung sind weitreichender als man auf den ersten Blick vermuten könnte. Einerseits stellt sich die Frage, wie ein Zeugungsverbot für Alkoholiker praktisch umgesetzt werden sollte. Nicht alle Alkoholiker tragen ihre Krankheit nach außen und suchen sich Hilfe. Viele Alkoholiker leben anonym und könnten Kinder zeugen, ohne dass ihre Krankheit bemerkt wird. Zudem würde ein Verbot für Alkoholiker, Kinder kriegen zu dürfen, die Krankheit weiter stigmatisieren und Betroffene tiefer in die Anonymität drängen – obwohl sie sich unter anderen Umständen professionelle Hilfe gesucht hätten.

Auch langfristige Folgen blieben außer Acht. Was geschieht beispielsweise mit Menschen, die ihre Alkoholsucht besiegen, den Rest ihres Lebens „trocken“ bleiben und ihr Leben im Griff haben? Lässt sich eine in der Vergangenheit vorgenommene Sterilisation rückgängig machen? Sind die Betroffenen dann noch im richtigen Alter, um Kinder zeugen zu können?

Zum anderen bedeutet ein Zeugungsverbot für Alkoholiker einen massiven Eingriff in die Freiheitsrechte der Betroffenen. Einer Personengruppe würde ein Grundrecht verwehrt werden, weil sie krank ist. Die logische Konsequenz: auch körperlich und geistig Behinderten müsste man das Kinderkriegen verbieten, weil die potenziell behinderten Kinder darunter leiden könnten. Statt radikale Verbote und Freiheitseinschränkungen für Alkoholiker zu fordern, sollte verstärkt Aufklärungsarbeit geleistet werden. Auf diese Weise können Alkoholiker ihr Trinkverhalten als Problem erkennen und als eine behandlungsfähige Krankheit akzeptieren. Die Folge: mehr Alkoholiker nehmen professionelle Hilfe in Anspruch und können im Rahmen von Therapiesitzungen davon überzeugt werden, dass es in ihrem gegenwärtigen Zustand verantwortungslos wäre, Kinder zu zeugen. |von Stefan Seefeldt

Alkoholprobleme? Kostenlose und anonyme Hilfe erhält man bundesweit über den Verein “Anonyme Alkoholiker e. V.“.


[1] http://www.spiegel.de/gesundheit/diagnose/alkohol-und-gesundheit-ist-jedes-glas-eines-zu-viel-a-1224860.html [Stand: 22.04.2019]

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