Vieraugengespräch Zum Thema Gewalt ist ein Teil von uns

Gewalt ist ein Teil von uns

Gewalt

Viele Menschen – besonders jene in der „westlichen Welt“ – sind stolz auf den Fortschritt, den ihre Gesellschaft in den letzten Jahrhunderten und Jahrtausenden gemacht hat. Geht man in die Menschheitsgeschichte zurück, finden sich dort viele blutige Kapitel: Sklaven im alten Rom, Kreuzritter und Nationalsozialisten sind traurige Höhepunkte unserer Karriere auf diesem Planeten. Die vielen alltäglichen Quälereien gegenüber Mitmenschen sind unzählbar. Doch als vereintes Europa blicken wir heute auf viele Jahrzehnte des Friedens zurück. Das ist ein Fortschritt, auf den wir stolz sein können und den wir uns behutsam erhalten sollten.
Doch sadistische Quälereien – seien sie verbaler oder physischer Art – sind hinter verschlossenen Türen noch heute ein existentes Problem in unserer Gesellschaft, das beweist, dass viele von uns ihre niederen Triebe noch nicht vollständig ablegen konnten. Der Gründe für ein solch fragwürdiges Verhalten sind mannigfaltig: rücksichtslos eigene Interessen durchsetzen, sexuelle Erregung, Spaß an Gewalt oder schlichtweg die fehlende Fähigkeit, anders mit Konflikten umzugehen sind nur einige mögliche Gründe.

Gewalt

Wenn wir Menschen uns für aufgeklärt und zivilisiert halten wollen, dann reicht es ohnehin nicht, die westliche Gesellschaft und deren alltäglichen Umgang miteinander zu betrachten – selbst wenn man die verschiedenen „Einzelfälle“ gewalttätigen Verhaltens in unserer Gesellschaft ausblenden würde. Die Verbrechen gegen die Menschlichkeit z. B. im Nahen Osten sind schließlich eng mit unseren Taten verknüpft und ein vom Westen geschaffenes Problem. Wir können uns wohl kaum für zivilisiert halten und gleichzeitig unseren Wohlstand und Reichtum – an dem noch nicht einmal alle Menschen unserer Gesellschaft in ausreichendem Maße teilhaben können – im Wesentlichen durch Waffenexporte erlangen. Wir mögen nicht selbst den Abzug betätigen, doch ohne unsere Waffen wäre der Konflikt in diesem Ausmaß nicht möglich gewesen.
Ein ehrlicher Blick in den Spiegel verrät: wir sind noch eine genauso gewalttätige Rasse wie vor 100, 1.000 oder 10.000 Jahren. Lediglich unsere Methoden, mit denen wir Macht und Gewalt über andere ausüben und uns darüber selbst bereichern, haben sich weiterentwickelt. Alte Formen der Unfreiheit werden von neuen Unfreiheiten abgelöst. Herrschafts- und Handelssysteme ändern sich und mangelnde Selbstkontrolle sowie der Hang, komplexe Probleme simpel beantworten zu wollen, bringen Unruhe und Gewalt über ganze Gesellschaften. Die Frage danach, ob es sich lohnt und von Erfolg gekennzeichnet ist, dagegen anzukämpfen, sei an dieser Stelle ausgeklammert. Wichtig ist jedoch, dass jeder einzelne von uns die Disposition, unter bestimmten Umständen gewalttätig zu werden, als Teil seines Selbst wahrnimmt und davor nicht die Augen verschließt. So können zumindest der Selbstüberschätzung und moralischen Überheblichkeit der westlichen Gesellschaft ein Ende bereitet werden. |von Stefan Seefeldt

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