Auch in diesem Jahr fand in der ganzen Republik der Christopher Street Day – kurz: CSD – statt. Wie jedes Jahr trafen sich zehntausende Schwule, Bisexuelle, Lesben und Transidente, um für Gleichberechtigung und Toleranz zu demonstrieren.
Vor 47 Jahren fand in einer Szenekneipe in der Christopher Street in New York ein Aufstand gegen die Polizei statt. Die homosexuellen Besucher der Kneipe wehrten sich vehement gegen die gewalttätigen Eingriffe der Polizei und lieferten sich Straßenschlachten mit ihr. Dieser Jahrestag wird mittlerweile weltweit genutzt, um auf die Diskriminierung von sexuellen Minderheiten aufmerksam zu machen. Angesichts der immer schärfer werdenden Anti-Schwulen-Politik in Russland ist das auch dringend nötig.
Mittlerweile kann man aber bezweifeln, dass noch immer in angemessener Weise demonstriert wird. Geht man heutzutage auf den CSD, sieht man schrille Menschen, die mit ihren Fetischen provozieren. Sklaven werden von ihren Mastern durch die Stadt geschleift, Bären zeigen ihren behaarten Körper fast nackt in aller Öffentlichkeit oder haben ein Lederoutfit an – wieder andere Männer schminken sich, haben Frauenkleider an und tanzen mit abgebrochenem Handgelenk zu „YMCA“. Es wird getanzt und gefeiert.
Und zum Feiern haben Queers auch allen Grund. Die Rechte und die Akzeptanz von Homosexuellen in Deutschland haben sich in den letzten Jahrzehnten dramatisch verbessert. Sie können relativ frei leben und müssen keine Angst um ihr Leben haben, wie es in anderen Ländern dieser Welt noch der Fall ist.
Doch trägt dieses beschriebene Bild eines CSDs vor allem in den Medien nicht gerade dazu bei, dass diese Toleranz bestehen bleibt. Die homosexuelle Community zeigt den heterosexuellen Mitmenschen auf dem CSD ihre mehr oder weniger perversen Fetische und präsentiert sich in den Klischees, die man ihr nachsagt, welche sie aber abschütteln will. Irgendetwas läuft da falsch.
Was wir in unseren Betten machen und mit wem wir es machen, ist unsere Privatsache! Heterosexuelle laufen auch nicht in Fetisch-Klamotten durch die Stadt. Warum provozieren Homosexuelle mit ihrer Sexualität, mit ihren Fetischen und mit ihrem Verhalten? Ein Verhalten, das sie noch nicht einmal im Alltag üblicherweise an den Tag legen. Warum machen sie das und fordern gleichzeitig Akzeptanz? Beschwören sie es damit nicht herauf, schief angeguckt zu werden? Fördern sie so nicht sogar das Klischeedenken?
Eine gewisse Provokation ist sicherlich nicht verkehrt, aber in den letzten Jahren ist der CSD zu sexualisiert geworden. Der Demonstrationscharakter geht dabei immer mehr verloren. Homosexuelle grenzen sich damit vom Rest der Gesellschaft ab und drängen sich selbst in eine Subkultur. Eine Subkultur, aus der sie eigentlich ausbrechen wollten.
Klar gehören zum CSD auch das Feiern und die Provokation. Aber die gesunde Balance zwischen Demonstration, Provokation und Feiern scheint nicht mehr vorhanden zu sein. Wenn Schwule, Lesben und Co. für ihre Rechte kämpfen und akzeptiert werden wollen, dann sollten sie sich so verhalten, wie sie tatsächlich sind und keine Masken aufsetzen und keine Rollen spielen. Nur durch den ganz selbstverständlichen und ganz alltäglichen Umgang mit ihrer Sexualität können sie erreichen, dass sie gemeinsam mit allen Menschen friedlich zusammenleben können. |von Stefan Seefeldt