Vieraugengespräch Zum Thema Altersheim vs. Würde

Altersheim vs. Würde

Gerda Mahmens

Wenn die eigenen Eltern oder Großeltern alt werden und zunehmend Unterstützung im Alltag benötigen, denkt man spätestens über ein Altersheim für sie nach. Dort können die Angehörigen beaufsichtigt und gepflegt werden. Das Pflegepersonal dort nimmt einem die Arbeit ab, die man sich selbst nicht antun möchte oder für die man aus beruflichen Gründen schlichtweg keine Zeit hat. Beide Argumente sind gut nachvollziehbar. Die Pflege der eigenen Angehörigen kann eine große emotionale Belastung sein, an der man unter Umständen zerbricht. Wenn man hingegen eine eigene Familie und evtl. Kinder hat, kann es notwendig sein, weiterhin arbeiten zu gehen, anstatt Zeit für die Pflege der Angehörigen aufzubringen.
Doch wie sehr Altersheime auch entlasten: sie sind nicht immer die beste Wahl. Es ist allgemein bekannt, dass das Pflegepersonal in Seniorenheimen häufig überlastet ist und nicht genug Zeit für die Bewohner hat. In schlimmen Fällen werden diese sogar mit Medikamenten ruhiggestellt. Misshandlungen von Heimbewohnern werden wohl (hoffentlich) nicht die Regel sein. Dennoch schockten auch solche Nachrichten in der Vergangenheit. Trotz Alternsheim und den dort lebenden gleichaltrigen Mitbewohnern besteht die Gefahr von unzureichender Zuwendung und Pflege.
Seinen Eltern oder Großeltern ein würdevolles Altern zu ermöglichen, scheint also gar nicht so einfach zu sein. Aber was bedeutet es eigentlich, in Würde zu altern?

©Gerda Mahmens/pixelio.de

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Beim Begriff ‚Würde‘ denkt man schnell an die Menschenwürde. Sie kommt nach modernem westlichem Verständnis allen Menschen zu – unabhängig von ihren Eigenschaften und Merkmalen, wie z.B. Geschlecht, Herkunft, sexuelle Orientierung und auch des Alters. Die Menschenwürde soll gewisse Grundrechte begründen, an denen nicht gerüttelt werden darf. Dazu zählen z.B. das Recht auf körperliche Unversehrtheit und Selbstbestimmung. Im Alter verlieren wir oftmals die Fähigkeiten, diese Grundrechte in Anspruch zu nehmen. Wir können beispielsweise nicht mehr selbstbestimmt handeln, weil wir dement werden. Oder wir sind nicht mehr körperlich unversehrt, weil unser Körper langsam und zunehmend versagt. Sind wir hingegen noch bis ins hohe Alter in der Lage z.B. beschwerdefrei und selbstbestimmt zu leben, bis wir plötzlich sterben, dann sind wir – nach gängiger Auffassung – würdevoll gealtert.
Kommt ein Altersheim als letzte Wohnstätte in Frage, beginnt wohl langsam der Verlust der Fähigkeit des Betroffenen, würdevoll zu altern. Zumindest wird auf die Fähigkeit, den Alltag alleine und unabhängig zu bestreiten, nicht mehr voll vertraut. Im Idealfall kann in Altersheimen die (verbliebene) Würde unserer Angehörigen noch eine ganze Weile aufrechterhalten werden. Doch manchmal rauben sie den Bewohnern einen Teil ihrer Würde, nämlich immer dann, wenn die Bewohner aus den eben beschriebenen Gründen vereinsamen. Wenn Angehörige (falls vorhanden) allerdings auch ein bisschen Verantwortung übernehmen, kann ein Altersheim für alle Beteiligten von Vorteil sein. Diese Verantwortung kann z. B. aus regelmäßigen Besuchen bestehen.
Ob würdevolles Altern in einem Altersheim gefördert oder sogar behindert wird, hängt von verschiedenen Faktoren ab. Setzt man es lediglich als Abstellgleis für seine Eltern oder Großeltern ein, wird sich deren Würde tendenziell schlechter erhalten lassen, als wenn man sich selbst weiterhin in der Verantwortung für seine Angehörigen sieht und es nur unterstützend in Anspruch nimmt. Pauschal lässt sich hier aber kein Urteil treffen. |von Stefan Seefeldt

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