Vor, bei und nach den Wahlen im März 2016 würde sich die politische Lage deutlich verändern. Soviel war allen Beteiligten von vorherein klar. Ob besser oder schlechter – auf jeden Fall sollte es deshalb diesmal anders laufen – oder doch nicht?
Einerseits waren es Landtagswahlen wie andere zuvor, andererseits wieder nicht. Die Themenlage war und ist geprägt von der Flüchtlingskrise, der Wahlkampf war es in Teilen ebenfalls. Das galt gleichermaßen für Baden-Württemberg, Rheinland-Pfalz und Sachsen-Anhalt. Die Partei, die sich fast ausschließlich auf dieses Thema konzentriert hat, hat dann auch aus dem Stand zweistellig abgeschnitten: Die „Alternative für Deutschland“ (AfD) erhielt in Baden-Württemberg 15,1 %, in Rheinland-Pfalz 12,6 % und in Sachsen-Anhalt 24,2 % der Wählerstimmen.[1] Das ist neu. Altbekannt sind dagegen die Bemühungen, eigene Erfolge zu betonen, Misserfolge herunterzuspielen, zu relativieren und sich gegenüber der (neuen) Konkurrenz abzugrenzen.
Neu ist auch, auf gegebene Absichtserklärungen Taten folgen zu lassen, also zum Beispiel „Die Sorgen der Menschen ernst [zu] nehmen“. Das hatte die SPD, deren Vorsitzender Sigmar Gabriel diese Parole ausgibt, schon seit längerem nicht mehr getan – zumindest nicht öffentlich und nicht bei der (ehemaligen) Stammklientel. Öffentlich dagegen war die Weigerung, mit bzw. gegen die AfD in Fernsehsendungen anzutreten und sich inhaltlich mit ihr auseinanderzusetzen. Zugegeben: Eine Auseinandersetzung mit der AfD auf inhaltlicher Ebene (insbesondere mit dem geplanten neuen Programm) erfordert durchaus innere Stärke. Aber nur dann kann es auch gezielt demontiert werden. Das aber hätte schon viel früher geschehen müssen, so dass nun nur noch die Parole „Ernstnehmen“ bleibt. Und wer macht das jetzt noch freiwillig in einer Art und Weise, die gleichzeitig Abgrenzung und Zuwendung ausdrückt? Teile der CDU hatten sich offenbar schon vor den Wahlen dazu entschieden, rechte Positionen zu hofieren und gleichwohl die AfD allgemein als nicht verhandlungswürdig anzusehen. Was den Umgang mit der AfD angeht, haben sie ihre Wahl getroffen. Die SPD hat nun keine Wahl mehr. Sie wird (wie alle anderen ins Parlament gewählte Parteien) die AfD wahr- und ernstnehmen müssen – und wenn es nur dazu dient, die Absurdität und Menschenfeindlichkeit des AfD-Programms aufzuzeigen und das Gastspiel der Rechten möglichst kurz zu halten.
Bevor es soweit ist, stehen jedoch erst einmal die Regierungsbildungen auf Landesebene an. Mit Blick auf die Wahlergebnisse ist dies kein leichtes Unterfangen: Die AfD bindet nun Stimmanteile, die zuvor erhoffte Zwei-Parteien-Koalition unmöglich werden lassen. In Sachsen-Anhalt sondieren daher CDU, SPD und Grüne die Möglichkeiten einer Koalition, in Rheinland-Pfalz beraten sich SPD, FDP und Grüne sowohl gemeinsam zu dritt als auch in Zweiergesprächen. In Baden-Württemberg stehen die Zeichen auf grün-schwarz wider Willen: Die FDP hat verlauten lassen, für eine Koalition mit Grünen und SPD nicht zur Verfügung zu stehen, während die SPD verkündet, kein Bündnis mit CDU und FDP eingehen zu wollen.
Bis die endgültigen Konstellationen und davon ausgehend die genauen Inhalte festgelegt sind, wird es noch eine Weile dauern. Klar sind momentan drei Dinge: Es wird neue Koalitionen geben müssen, die AfD wird nicht mitregieren können und die gewählten Volksvertreter dürfen zeigen, dass sie auch in dieser Zusammensetzung miteinander umzugehen wissen. |von Florian Hilf
Mit den neuesten Entwicklungen nach den Wahlen und anderen Ereignissen der vergangenen Woche beschäftigen wir uns am 27.03. in Die Woche #4 – ab 18 Uhr hier als Video oder direkt bei YouTube.
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[1] Quelle: http://wahl.tagesschau.de/wahlen/2016-03-13-LT-DE-BW/ [Abgerufen am 19.03.2016]